Embodiment – Die Verkörperung
„Embodiment“ (der Verkörperung) ist die Möglichkeit, ein System in den Raum zu bringen. In anderen Kontexten wird dafür auch der Begriff „Aufstellung“ verwendet. Durch die Verkörperung werden Themen im Außen, im Raum sichtbar gemacht. Auf diese Weise können wir, aus einer Beobachtungsposition heraus, andere und neue Sichtweisen auf ein System erlangen. Dabei nähern wir uns körperlichen, psychischen und sozialen Themen unter Einbeziehung einer integrativen Vorgehensweise. Über den Körper gelangen wir unmittelbar und nachhaltig zu neuen Einsichten, anderen Gedanken und neuen Lösungsmöglichkeiten.
Alles was wir erfahren, alles was wir gelernt und erlebt haben ist in unserem Körper gespeichert – sozusagen ‚verkörpert‘. Vieles spiegelt sich in unserem Körper wieder. Bilder, die als Elemente gespeichert sind, Augenblickrichtungem, die Atmung, die Körperhaltung und -koordination und vieles mehr machen unsere Erlebnisnetzwerke aus.
Wenn ein Element in unserem Körper aktiviert wird, werden auch die damit vernetzten Elemente aktiviert. Das gesamte Erlebnisnetzwerk verändert sich beispielsweise durch das Einnehmen einer bestimmten Körperhaltung. Gleichzeitig stimuliert dies auch eine Veränderung in unserem Denken und Fühlen.
Dieses meist un- oder vorbewusste Wissen, unsere abgespeicherte Körperintelligenz, können wir uns wiederum mit Aufmerksamkeitsfokussierung erfahrbar machen. Nützlich ist uns dafür eine Beobachtungsposition, die z.B. über eine Verkörperung möglich wird: Durch diese können wir uns selbst sozusagen von außen in unseren Beziehungen zu anderen oder auch zu Teilen von uns selbst betrachten.
Wie funktioniert Embodiment?
Wir besitzen als Menschen die Fähigkeit, als räumliche Repräsentanzen Gefühle wahrzunehmen. Stehen wir in einem System im Raum, nehmen wir stellvertretend wahr, was in diesem System passiert, welche Dynamiken vorherrschen und wie dieses System organisiert ist. Diese Fähigkeit wird in der Wissenschaft als repräsentative Wahrnehmung bezeichnet. Untersuchungen haben gezeigt, dass verschiedene Menschen, die in ein und dasselbe System „gestellt“ wurden, dieselben bzw. sehr ähnliche Wahrnehmungen haben.
Die Forschungen der Anthropologin Dr. Felicitas Goodman zu rituellen (schamanischen) Körperhaltungen haben Ähnliches herausgefunden. Menschen, die dieselbe Körperhaltung einnehmen, machen dieselben Trance-Erfahrungen (z.B. dieselben inneren Bilder vom Fliegen in der einen Haltung, oder Bilder vom Untertauchen in einer anderen Haltung).
Unsere Sprache hat übrigens auch viele „räumliche“ Bezüge: wir haben in unserem Kulturkreis bspw. die Vergangenheit „hinter“ uns, die Zukunft „vor uns“. Wir alle können zb auch sagen, ob wir ein Thema eher „links“ oder „rechts“ von uns „sehen“.
Wie kann diese repräsentative Wahrnehmung erklärt werden?
Wir können uns das morphische (früher morphogenetische) Feld wie ein die Welt umfassendes W-LAN vorstellen, in dem wir uns bewegen. Innerhalb des Netzwerks taschen wir über unsere Körper ständig Informationen aus. Unbewusst und unwillkürlich verarbeiten wir durchgehend diese Informationen. Mit manchen Menschen, wie der Familie und guten Freunden stehen wir dabei ständig in Verbindung. Mit anderen Menschen kann auch nur ein kurzer Austausch stattfinden. Generell führt aber jede Interaktion mit anderen Menschen auch zum Austausch von Informationen über das morphische Feld.
Studien zur Herzfrequenz haben gezeigt, dass unser eigenes elektromagnetisches Feld bis zu einem Meter von unserem Körper weg messbar ist. Stehen wir einem Menschen gegenüber, sind unsere Herzen schon allein darüber im Austausch.
Beim Embodiment machen wir uns das morphische Feld und die repräsentative Wahrnehmung zu nutze. Wir machen Informationen aus diesem Feld sicht-, spür- und damit erlebbar.
Unsere Systeme
Wir befinden uns ständig in den unterschiedlichsten sozialen Systemen. Die Herkunftsfamilie stellt dabei unser erstes System dar, in welches wir hineingeboren werden. Eltern, Großeltern, Brüder und Schwestern, aber auch Onkel, Tanten und entferntere Verwandte sind Teil dieses Systems.
In der Gegenwartsfamilie befinden wir uns mit unserem Partner / unserer Partnerin und unseren eigenen Kindern. Aber auch FreundInnen und Bekannte, unsere Arbeitsstelle, unser Verein, in dem wir unsere Hobbies ausleben und ähnliche soziale Systeme haben mehr oder weniger starken Einfluss auf uns.
Unsere Gefühle
All unsere Systeme erzeugen Gefühle in uns. Dabei unterscheiden wir im systemischen zwischen Primär-, Sekundär- und Fremdgefühlen. Bei kleinen Kindern können Primärgefühle noch sehr ungefiltert beobachtet werden. Fallen sie hin weinen sie, werden sie getröstet löst sich der Schmerz, bekommen sie ein Eis ist gleich wieder die Freude da. Im Laufe unserer Sozialisation lernen wir, dass es nicht immer angebracht ist jedes Gefühl sofort zu zeigen. So unterdrücken wir unsere Primärgefühle, diese verändern sich, werden zu Sekundärgefühlen. So kann aus einer primären Kränkung und Verletzung sekundär Wut und Aggression werden.
Fremdgefühle sind Gefühle die wir von anderen ‚übernehmen‘, einerseits empathisch und selbst gesteuert indem wir Mitgefühl zeigen, andererseits aber auch um im System dazuzugehören.
Viele von uns haben Kriegserinnerungen in unserer Großelterngeneration. Gängige Muster sind z.B., dass der Großvater sich schuldig fühlt, weil er überlebt hat, sein bester Freund aber nicht. Oder unsere Großmutter hat im Krieg, alleine zuhause zurückgelassen, Schreckliches erlebt. Oft sind dann die Gefühle dieser Erlebnisse, wie z.B. Schuld, Trauer und Angst, in der Familie möglicherweise zwar nie ausgesprochen, gezeigt und ausgelebt worden, sie waren für die Kinder und Enkelkinder jedoch trotzdem spürbar.
Als Kinder haben wir das existenzielle Bedürfnis, dazuzugehören. Wir wollen Teil sein, und übernehmen Gefühle, um den Eltern oder Großeltern näher zu sein (unwillkürlich und unbewusst). In einer Verkörperung können wir diese Gefühle erkennen und wieder „zurückgeben“.
Epigenetik
Auch Traumata können vererbt werden. Traumata verändern die Biochemie im Körper, und auch genetische Aktivitäten. Epigenetik ist dabei die Lehre über die Vererbung von Erfahrungen.
Die DNA ist so etwas wie das hartkodierte Programm, die Epigenetik ist der Compiler/Interpreter der angibt, wie dieses Programm gelesen wird. Die Epigenetik steuert z.B., dass ein gewisser Teil der DNA auskommentiert und damit unlesbar ist, und ein anderer Teil dafür nicht nur lesbar ist, sondern auch gleich 10-mal hintereinander gelesen und ‚ausgeführt‘ wird.
Durch Umwelteinflüsse, durch den Einfluss von sozialen Systemen, durch Traumata, Umweltgifte, Toxine, wird die Art und Weise, in der unser genetischer Code gelesen wird, verändert. Epigenetik ist also der Prozess, der steuert wie unser Programm, unsere DNA gelesen und verstanden wird. Durch unsere Ernährung, unseren Lebensstil, unseren Umgang mit eigenen und vererbten Traumata und Themen können wir somit selbst entscheidend dazu beitragen, wie unser Körper für uns ‚funktioniert‘.
